Meinungen

Denken und alt werden? Natural Bodybuilding als wesentlicher Bestandteil eines erfüllten Lebens

Vermutlich kennst auch du diesen Spruch: Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein. Nun, da ist wohl was dran. Aber muss Alter denn immer mit körperlichen Problemen einhergehen, an die man fast zwangsläufig denkt? Beweglichkeit und ausreichende Kraft für alltägliche Aktivitäten stehen für Lebensqualität. Nähern wir uns doch der Sache an und überlegen wir, was Natural Bodybuilding hier beizutragen hat.

Über das Wenn-dann-Denken

Als Programmierer habe ich tagtäglich mit logischem Denken zu tun, und dazu gehören auch Wenn-dann-Überlegungen. WENN der Benutzer einer App diesen Button betätigt, DANN macht das Programm dieses und jenes. Und als jemand, der seit knapp 40 Jahren Gewichte bewegt, wende ich dieses Denken ganz selbstverständlich auch auf mein Training an. Das geht dann in etwa so:

WENN du einen entsprechenden Trainings-Reiz setzt, DANN wird der trainierte Muskel versuchen, mit Aufbau zu reagieren. WENN du nach der Trainings-Belastung ausreichende Mengen an benötigten Nährstoffen zuführst, DANN werden die Muskelzellen etwas mehr Substanz aufbauen, als zuvor vorhanden war. WENN du deinen hormonellen Regelkreis oder bestimmte Zellrezeptoren durch gezielte direkte Eingriffe „optimierst“, DANN geht das alles deutlich schneller und in größerem Maße, als wenn du das nicht tust.

So. Und beim letzten Punkt setzt es aus bei mir. Warum? Ganz einfach: Weil ich meinen Körper noch länger brauche. Und weil ich nicht riskieren will, dass mögliche Spätfolgen meines dilettantischen Herumpfuschens im zentralen Regelmechanismus meines Körpers auf längere Sicht meine Gesundheit gefährden. Ist mir einfach zu heiß. Punkt.

Wer mag, kann mich somit gerne als Feigling bezeichnen. Aber für mich passt das so. Ich habe kein gesteigertes Interesse daran, für die punktuelle Maximierung auch nur irgendeiner körperlichen Eigenschaft das komplexe Funktionieren meines Organismus wissentlich in Gefahr zu bringen. Mir persönlich erscheint so etwas als leichtfertig. Oder als blödsinnig.

Beherztes Schwingen der Moral-Keule?

Man möge mich nicht missverstehen: Ich versuche in keiner Weise, meine Sicht der Dinge als einzige Wahrheit darzustellen – dazu bin ich mir meiner eigenen Fehler viel zu sehr bewusst. Ich spreche hier ausschließlich von meiner persönlichen Sicht, entstanden über Jahrzehnte meines Lebens. Keine Spur von „guten“ oder „schlechten“ Bodybuildern, sondern nur von unterschiedlichen Wegen zum angestrebten Ziel.

Aber gehen wir doch kurz weg von der konkreten Steroide-Thematik und kommen wir zum Grundsätzlichen: Warum tun wir uns das überhaupt an, diese intensiven Trainingseinheiten und endlosen Stunden an den Geräten? Etwa nur aus Gründen der verbesserten Erscheinung und wegen eines erhofften Vorteils bei der Partnersuche?

Bewegung ist gesund – aber warum denn?

Wir alle kennen diesen Spruch von der gesunden Bewegung. Aber warum ist das eigentlich so? Na gut – da gibt es die offensichtlichen Zusammenhänge, wie etwa die gute Versorgung der Organe mit Sauerstoff oder die Beweglichkeit der Skelettmuskulatur und der zugehörigen Stützstrukturen. Aber erklärt das schon alles, was aus Training an Gesundheit herauszuholen ist? Gerade für mich als Mittfünfziger spielt das Thema Gesundheit eine wichtigere Rolle als damals in meinen Zwanzigern.

Einen sehr interessanten Aspekt spricht Marco Toigo an, der sich im Rahmen seiner Forschungsarbeit an der ETH Zürich mit den Mechanismen der Muskeladaption auf molekularer, zellulärer und systemischer Ebene beschäftigt. In seinem Buch MuskelRevolution (2015, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S. 231) thematisiert er die Funktion von Muskeln in Bewegung: Von aktiven Muskeln werden hunderte Peptide ausgeschüttet, die gar nicht im Muskel selbst, sondern in ganz anderen Organen ihre Wirkung entfalten. Das ist also ähnlich wie bei Drüsen, die Hormone ausschütten, die dann irgendwo im Körper wirken. Derartig komplexe Zusammenhänge könnten also der Grund sein, weshalb Training des Bewegungsapparates viel weitläufigere Effekte mit sich bringt, als lediglich mehr Kraft oder Ausdauer: Wir bewirken damit ganz unterschiedliche Prozesse in ganzen Körper.

Das Kleinkind an der Fernbedienung?

Jetzt ist dieser Körper aber unglaublich komplex, was bedeutet: Viele unterschiedliche Organe und Teil-Systeme stehen miteinander in Verbindung. Und wenn man nun isoliert an einer einzelnen Stellschraube dreht, um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen, kann es sein, dass an ganz anderer Stelle des Systems Körper etwas ganz und gar Unerwünschtes passiert. Man kennt das aus der Medizin und nennt es: Nebenwirkungen.

Die Steuerung komplexer Systeme ist immer extrem anspruchsvoll: Die ehemalige Reaktor-Truppe von Tschernobyl wird dem zustimmen. Die meisten Menschen neigen nämlich dazu, an bestimmten Stellen zu übersteuern. Das ist dann etwa so, als würde man den Wagen mit viel zu viel Schwung aus dem Straßengraben herausziehen, nur um ihn anschließend sofort in den anderen zu werfen. Und so, als würde ein Kleinkind an der Fernbedienung beherzt immer wieder die rote Taste drücken, weil es die anderen nicht kennt und sie ihm nicht so gut gefallen.

Aber wie soll ich denn sonst auf meinen Körper einwirken?

Aber ist dann nicht jegliche Einflussnahme auf meine körperlichen Vorgänge ein Risiko? Weil ich zuvor nicht wissen kann, was es im Detail bewirkt? Und wäre das dann nicht das Aus für jede beabsichtigte Veränderung?

Meine Meinung in verkürzter Form: Der menschliche Körper wurde von der Evolution im Verlauf von Millionen von Jahren geprägt. Nahrungsbestandteile, mit denen er schon seit ewigen Zeiten konfrontiert wurde, betrachte ich nicht als bedenklich – bloß bei der Anwendung in konzentrierter Form könnte gesunder Hausverstand manchmal hilfreich sein. Aber jene Substanzen, die nicht im „Erfahrungsbereich“ des menschlichen Körpers liegen oder synthetisch hergestellt wurden, betrachte ich persönlich mit einer gewissen Skepsis: Kein Zweifel an der Wirksamkeit solcher Wirkstoffe, aber wie sieht es mit den angesprochenen Nebenwirkungen aus? Oder mit eventuellen Spätfolgen?

Davor habe ich einfach zu viel Respekt.

Langer Rede kurzer Sinn

Also, eines ist wohl klar geworden: Diese Sache mit Sterioden oder ähnlichen „Drogen“ ist es mir nicht wert. Was ich aber für wichtig und erstrebenswert halte, ist: Bodybuilding als Lebensstil zu betreiben. Bodybuilding, betrachtet als treuer Begleiter für den Rest meiner Jahre, um im höheren Alter ein ausreichendes Maß an Lebensqualität genießen zu können. Als Steuerungs-Möglichkeit für mein komplexes System Körper, das nicht isoliert, sondern ganzheitlich Änderungen anregt. Dazu nämlich, so meine persönliche Überzeugung, dazu ist Natural Bodybuilding hervorragend geeignet.