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Wie trainierst du regenerationsbasiert?

Aufbau-Erfolge steigern? Jeder stößt dabei irgendwann an seine Grenzen. Viele greifen dann frustriert zu hormonell wirksamen Hilfsmitteln. Wenn jedoch Anabolika für dich auf gar keinen Fall in Frage kommen, dann solltest du unbedingt deine Regeneration genauer unter die Lupe nehmen.

Ist Regeneration tatsächlich so wichtig?

In unserer marktschreierischen Welt wird man unzählige Male pro Tag mit Behauptungen konfrontiert, die dazu führen sollen, dass man sein Geld hergibt. Oft wird dabei eine eigentlich völlig normale Situation zu einem individuellen Problem hochstilisiert, das man angeblich ganz leicht beseitigen kann, indem man bestimmte Produkte kauft. Ist das auch hier so? Wird Regeneration etwa ganz bewusst zu einem Thema aufgeblasen, weil hier jemand bloß an dein Geld herankommen will? Oder spielt sie tatsächlich eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, der eigenen Muskulatur mehr Kraft oder mehr Masse zu verleihen?

Hier mein Vorschlag: Nähern wir uns dieser berechtigten Frage doch einfach systematisch und Schritt für Schritt an.

Warum überhaupt regenerationsbasiertes Aufbautraining?

Warum solltest du dir überhaupt die Zeit nehmen, dich mit dem Thema zu beschäftigen? Die Antwort ist ganz simpel:

Du bist absolut keine Ausnahme, wenn du bemerkst, dass dein Muskel-Aufbau zu wünschen übrig lässt.

Die meisten Trainierenden werden die folgende Behauptung bestätigen können: Natürlicher Muskel-Aufbau ist nicht nur extrem langwierig, sondern auch sehr mühsam. Es ist eben nicht einfach, den Körper dazu zu bringen, sich den Luxus einer überdurchschnittlich ausgeprägten Muskulatur zu leisten. Und wenn man noch dazu darauf verzichten möchte, direkt in den eigenen Hormon-Haushalt einzugreifen, dann wird es schnell eng: Wenn die ersten schnellen Forschritte nachlassen, werfen viele frustriert das Handtuch.

Dabei hätte es für die meisten auch ohne dubiose Substanzen noch weitergehen können, denn: Oft verweigert der Körper einen weiteren Aufbau nur deshalb, weil er einfach nicht die Ruhe bekommt, die er dafür benötigt. Er schafft es einfach nicht mehr, mit den schweren Belastungen fertig zu werden, mit denen er viel zu häufig konfrontiert wird. Insbesondere Anfänger mit einigen Monaten Trainingserfahrung oder leicht Fortgeschrittene muten ihrem Körper mit der Begeisterung der ersten Erfolge einfach zu viel zu.

Das Ergenis? Übertraining.

Was es bedeutet, regenerationsbasiert zu trainieren

Regenerationsbasiert zu trainieren bedeutet, dein Training an der ablaufenden Erholung der zuvor trainierten Muskelgruppen zu orientieren. Warum das wichtig ist? Ganz einfach: Durch dein hartes Aufbau-Training mit relativ schweren Gewichten werden deine Muskeln intensiv belastet. So intensiv, dass winzige Verletzungen während des Trainings auftreten. Diese Verletzungen nennt man „Mikro-Trauma“ und sind grundsätzlich nichts Schlimmes, aber: Wenn du sie nicht ausheilen lässt, können sie deine Leistungsfähigkeit mit der Zeit verringern.

Also: Richte dein Training danach aus, welche deiner Muskeln heute wieder belastet werden sollten.

Diese Muskeln sollen sich bereits ausreichend erholt haben vom letzten Workout. Was aber noch dazukommt: Die letzte Trainings-Belastung sollte auch wiederum nicht zu lange her sein. Denn die Zeitspanne der sogenannten „Superkompensation“ dauert nicht ewig: Sie beginnt mit der abgeschlossenen Regeneration und dauert dann eine bestimmte Zeit, in der die Muskelgruppe besonders leistungsfähig ist – sogar etwas leistungsfähiger als zuvor. Vergeht diese Zeit ohne neuerlichen Trainings-Reiz, zeigt der Muskel wieder die selbe Leistungsfähigkeit wie vor dem letzten Training.

Regenerationsbasiert zu trainieren bedeutet also: Trainiere heute jene Muskeln, die sich vom letzten Belastungs-Reiz wieder ausreichend erholt haben. Und verwende dazu passende Übungen, um nicht durch assistierende Beanspruchung weitere Muskel-Partien zu belasten, die noch nicht für einen neuerlichen Trainings-Reiz bereit sind.

Wie profitierst du von regenerationsbasiertem Aufbautraining?

Die Sache klingt irgendwie kompliziert für dich? Muss nicht sein. Hier kurz zusammengefasst eine Liste von Vorteilen, die auch du mit regenerationsbasiertem Aufbautraining erzielen kannst:

  • mehr Masse und Kraft durch vollständig ablaufende Regenerations-Prozesse (Wieder-Aufbau nach katabolen Prozessen, verursacht durch die Trainings-Belastung)
  • optimiertes Training durch besseres Treffen der Superkompensations-Phase jeder Muskel-Partie
  • verbesserte Chance, Verletzungen zu vermeiden (akute wie chronische)
  • mehr Abwechslung im Training, weil jedes Workout anders wird (unterschiedliche Übungen, passend zu den unterschiedlichen Belastungs-Zuständen deiner Muskelgruppen)

Speziell dann, wenn du bereits ausreichend Kraftsport-Erfahrung vorzuweisen hast, wirst du vermutlich dein Training optimieren wollen. Du wirst wahrscheinlich versuchen, jeden Muskel genau dann wieder zu trainieren, wenn er nach der vorhergehenden Trainings-Belastung ein Leistungs-Hoch erreicht hat. Dass ein solches Hoch nur möglich sein wird, wenn sich der Muskel zuvor ausreichend erholt, klingt logisch.

Woran orientiert sich regenerationsbasiertes Aufbautraining?

Um die Angelegenheit anschaulicher zu machen, wollen wir hier den Verlauf von Belastung und Erholung eines Muskels in einem Diagramm darstellen. Wir unterscheiden im zeitlichen Verlauf (von links nach rechts) folgende Phasen:

  • Der Normalzustand: Deine körperlichen Prozesse sind mehr oder weniger im Gleichgewicht, der betrachtete Muskel verfügt über sein „normales“ Maß an Leistungsfähigkeit. Das ist auch das Niveau, auf das der Muskel nach einer ungenutzten Superkompensations-Phase zurückfallen wird.
  • Die Belastung (Trainings-Reiz): Der Muskel wird im Rahmen eines Aufbau-Trainings intensiv belastet. Innerhalb von Minuten oder Stunden wird er derart beansprucht, dass seine Leistungsfähigkeit reduziert ist. Im mikroskopisch kleinen Bereich sind Risse in den Muskelfasern festzustellen, die von der harten Beanspruchung stammen.
  • Die Erholung (Regeneration): Der Muskel wird wiederhergestellt, indem abbauende (katabole) Prozesse beschädigte Strukturen entfernen und aufbauende (anabole) Prozesse die Muskelfasern wieder reparieren. Dieser Vorgang beansprucht – je nach Schwere der vorangegangenen Belastung – mehrere Tage.
  • Die überschießende Wiederherstellung (Superkompensation): Die aufbauenden Vorgänge der vorigen Phase enden nicht unbedingt mit dem Erreichen des früheren Leistungs-Niveaus, sondern gehen im Regelfall (und bis zu einem gewissen Maß) darüber hinaus: Die Regeneration wird also „überschießend“ und führt zu einem (minimal) gesteigerten Leistungs-Vermögen, das idealerweise für das Setzen eines nächsten Trainings-Reizes genutzt werden sollte. Auch diese Phase kann sich über mehrere Tage erstrecken.

Anmerkungen zum Diagramm: Es ist dem Verfasser bewusst, dass das Konzept der Superkompensation nicht uneingeschränkten Zuspruch erfährt. So wird beispielsweise von Wissenschaftern zu Recht kritisiert, dass die Größe der senkrechten Achse nicht durch eine eindeutige und quantifizierbare Messgröße definiert ist. Deshalb an dieser Stelle einige kurze Kommentare:

  • Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Diagramm in keiner Weise biochemische Prozesse oder Vorgänge auf zellulärer Ebene erfassen oder andeuten möchte. Der Haupt-Zweck ist vielmehr eine bewusst abstrahierende Vorgehensweise, die dem Nutzer im Sinne eines heuristischen Ansatzes helfen soll, konkrete Entscheidungen im Rahmen seiner Trainings-Gestaltung trotz vorliegender Unkenntnis einer Vielzahl vorhandener EInflussfaktoren zu treffen.
  • Das Diagramm versucht, die Alltags-Erfahrungen Trainierender (im Kraftsport) assoziativ zu erfassen und im Rahmen einer groben Orientierung und einer darauf folgenden pragmatisch ausgerichteten Trainings/Workout-Planung zuzuführen, was mit dem Begriff der „Leistungsfähigkeit“ in vielen Fällen ausreichend möglich zu sein scheint.
  • Die grundlegende Anforderung an das Diagramm ist darin zu sehen, dem Betrachter die Bedeutsamkeit einer ausreichenden Erholung nach intensiven Trainings-Belastungen zu vermitteln und auf dadurch die Gefahr eines entstehenden Übertrainings-Zustandes zu reduzieren.

Wie kannst du dein eigenes Aufbautraining regenerationsbasiert gestalten?

Im Prinzip ist die Sache ganz simpel. Du benötigst lediglich Antworten auf die folgenden Fragen:

  • Wie intensiv habe ich heute welche Übungen trainiert?
  • Wie verteilt sich die Last bei diesen Übungen auf die unterschiedlichen Muskeln?
  • Wie schnell erholt sich welche Muskel-Partie, und wie verändert sich daher der Belastungs- bzw. Erholungs-Zustand dieser Muskeln im Verlauf der nächsten Tage?
  • Welche Muskeln sind heute (vor dem Workout) in welcher Verfassung?
  • Welche Übungen passen zu diesem Zustand, ohne andere Muskeln in ihrem noch laufenden Aufbau-Prozess zu stören?

Wenn du dir diese Fragen beantworten kannst, kannst du auch regenerationsbasiert trainieren. Du musst einfach nur Tag für Tag ermitteln, in welchem Zustand sich welcher Muskel gerade befindet.

Was brauchst du, um regenerationsbasiert zu trainieren?

Du benötigst also …

  • Kenntnisse in Anatomie (beteiligte Muskeln bei unterschiedlichen Bewegungen)
  • Wissen über die unterschiedlichen Erholungs-Zeiten der Muskelgruppen
  • Einschätzung, welche deiner Muskeln gerade in welcher Verfassung sind
  • Kenntnis über Übungs-Variationen (passend zur Tages-Verfassung)

Um dein Training regenerationsbasiert zu gestalten, benötigst du darüber hinaus eine Aufzeichnung deiner Workouts, die zeigt, wann welche Muskel wie stark belastet ist. Im Jahr 2010 hatte ich eine stark vereinfachte Papier-Variante einer solchen Aufzeichnung auf kariertem Papier im Einsatz: Wurde ein Muskel belastet, so ging die Kurve ein Kästchen nach unten (gelb) – nach intensiver Beanspruchung sogar zwei (rot). Der Regenerations-Verlauf wurde für jeden Tag ein Käschen nach rechts und eines nach oben eingezeichnet, bis die Kurve ein Kästchen oberhalb der Grundlinie angekommen war. Dieses Überschreiten der Grundlinie nach oben (grün) sollte die Superkompensations-Phase markieren, in der im besten Fall das nächste Training dieser Muskelgruppe stattfinden sollte.

Diese Art der Aufzeichnung berücksichtigte zwar die Höhe der Intensität, aber leider noch nicht die unterschiedlich langen Erholungszeiten der einzelnen Muskelgruppen. Weiters wurde lediglich am Ende des Workouts abgeschätzt, wie intensiv welche Muskeln belastet worden waren – es gab noch keine Tabelle, die zeigte, welche Muskeln bei welchen Übungen in welchem Grad assistierend tätig werden. Diese Verbesserungen sollte erst viele Jahre später erfolgen, als ich gemeinsam mit meiner Tochter Julia ein Online-Tool für regenerationsbasiertes Aufbautraining zu programmieren begann.

Dein Booster zum regenerationsbasierten Aufbautraining

Wagen wir doch mal ein völlig hemmungsloses Wunschdenken:

Wie wäre es, wenn du einen Assistenten hättest, der dir Tag für Tag ganz genau sagen kann, welche deiner Muskel-Partien bereits wieder trainiert werden sollten? Oder, anders gesagt: Welche Muskeln du noch schonen solltest, damit sie das tun, wofür du sie im Training so hart herangenommen hast: zu wachsen und stärker zu werden? Und selbstverständlich wäre es doch genial, wenn dir dieser Trainings-Buddy auch gleich Tipps geben könnte, welche Übungen zu deinem aktuellen Belastungs-Zustand passen, oder?

Zugegeben: Ein derartiger Service – und das bei Bedarf jeden Tag – wäre vermutlich unbezahlbar. Aus diesem Grund bleibt wohl alles, wie es ist: Du versuchst, mit einem gut durchdachten Split-Programm ausreichende Pausen für alle Muskeln einzuplanen.

Was aber, wenn dein Alltag sich nicht an deine Pläne hält? Wenn du vorgesehene Trainings-Tage nicht einhalten kannst, sich aber andererseits auch manchmal Gelegenheiten für ungeplante Trainings-Einheiten bieten?

Das zuvor bereits erwähnte Online-Tool, das wir eigentlich nur für uns selbst entwickelt hatten, nennt sich myTRS – Mein Trainings-Regenerations-Status. Es ist eine Art „programmierter Assistent“, der weiß, wann du welche Übungen trainiert hast. Damit weiß er dann auch, welche deiner Muskeln wann belastet wurden – und wie intensiv. Und aus diesen Informationen schätzt er, an welchen Tagen deine Muskelgruppen in welchem Zustand sind. Was am Ende übrig bleibt, ist: jeden Tag eine Auswahl passender Übungen, die keinen Muskel beim gerade ablaufenden Aufbau stören.

Also: Wenn du deinem Körper Gutes tun willst, dann gestalte doch dein Aufbautraining regenerationsbasiert! Und gib ihm die Gelegenheit, dir das zu geben, wofür du hart trainierst: mehr Muskelmasse und mehr Kraft.

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